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Begräbnis


Eine Ultrakurzgeschichte für Leser mit starken Nerven
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Er stach den Spaten in den Haufen frisch aufgeworfener Erde und verschränkte die Hände vor dem Schoß. Eigentlich schade, dass sonst niemand da war. Kein Pfarrer. Keine Trauernden. Oder vielleicht doch besser so. Könnten den Moment verderben. Nur die Bäume. Das Schweigen im Walde.

Die Kleine lag mit bleichem Gesicht schön waagrecht auf dem Waldboden. Wie Schneewittchen. Er weinte eine Träne. Ein schöner Moment: die tiefe Trauer. Aber nicht zuviel Zeit.

Er grub die Hände unter Schultern und Knie der Kleinen und hob den steifen Körper in die Grube.

Nicht zuviel Zeit. Keine Zeit für einen Abschied. Sonst würden Leute kommen und der Moment wär’ verdorben. Er bedeckte ihr bleiches Gesicht mit dunklem Waldboden. Vielleicht würde im Sommer eine Blume drauf blühen. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und ging davon.

(Januar-Mai 1997)

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