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Das Schwimmbecken


Eine junge Frau erwartet Party-Gäste und hat dann doch eher ihren Spaß mit dem kühlen Nass.
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Sabine hatte noch eine Menge zu tun, bevor ihre Gäste kommen würden. Zunächst einmal musste die völlig heruntergekommene Thujenhecke in Form gebracht werden. Sie holte die rostige Heckenschere aus dem Holzschuppen, ölte sie und machte die Scherenschenkel beweglich. Dann machte sie sich daran, der Hecke eine ordentliche Form zu geben.

Als Nächstes der Rasen. Sie zog den Handmäher aus dem Schuppen und begann, das durch den Regen der letzten Woche kräftig aufgewucherte Gras zu bändigen. Sie musste ihr ganzes Gewicht gegen das Gestänge des Mähers stemmen, um gegen das widerspenstige Grün anzukommen und geriet kräftig ins Schwitzen. Sabine schleppte die eiserne Aschentonne aus dem Schuppen, raffte die abgemähten Büschel, gegen die Wut der Mücken ankämpfend, mit den Händen an sich und ließ sie in die Tonne fallen. Auch die Thujenschnipsel kamen mit hinein. Schließlich holte sie die Biergartengarnitur und den Grill aus dem Schuppen, pflanzte Tisch und Bänke auf und spickte die Grillkohle mit Anzündern.

Als sie endlich fertig war, setzte sie sich auf eine der Bänke. Die Metallbeine waren so rostig, dass sie bei jeder Bewegung quietschten. Sabine ölte die Füße der Bank und atmete den schweren Dunst des Öls ein, der sich mit dem Geruch ihres Schweißes und ihres Parfüms mischte.

Dann öffnete sie einen hervorragenden australischen Chardonnay, der sowieso noch etwas wärmer werden sollte. Außerdem hatte sie sich einen Schluck Wein verdient, nach der ganzen Plackerei.

Sie goss sich ein Glas ein und nippte daran.

War nun alles fertig? Sie sah sich um. Die Rasenfläsche war sauber und ordentlich. Die Hecke war in Form gebracht. Das einzige Problem war das Schwimmbecken. Der Vorbesitzer des Grundstücks hatte das kleine Becken selbst gebaut. Er hatte einfach eine Grube ausgehoben, sie grob und unfachmännisch verschalt und die Wandungen mit Beton ausgegossen. Jetzt bröckelte der Beton an den Rändern, und das Laub vom letzten Herbst hatte von Frühjahr bis jetzt in den Hochsommer hinein darin gefault, hatte sich zersetzt und das Wasser braun gefärbt. Letzte Blattreste schwammen noch darin herum. Sabine nahm einen weiteren Schluck Wein und fischte dann mit dem Kescher alles heraus, was sie erwischen konnte. Es half nicht viel, aber sie hoffte, dass das schmutzige Wasser im Dunkeln nicht auffallen würde.

Jetzt hatte sie alles getan, um ihren Gästen eine angenehme Umgebung zu bieten. Es war kurz vor Acht. Sie ging in den Schuppen, zog ihre Turnschuhe, die Jeans und das verschwitzte T-Shirt aus, benutzte ihr Deospray, wartete eine Minute, bis sie sich einigermaßen abgekühlt hatte, wechselte dann die Unterwäsche und zog eine weiße Bluse und den knielangen Rock an.

Sie deckte den Tisch mit einer Papiertischdecke und legte die Pappteller, das Besteck darauf. Sie sah auf die Uhr. Fünf nach. Sie zündete sich eine Zigarette an und trank etwas Wein. Langsam wurde er wärmer und fülliger, und der Geschmack nach tropischen Früchten wurde aimmer ausgeprägter. Das würde ihren Gästen schmecken. Franz, ihr Gegenüber im Büro, war zwar kein Weinkenner, aber dieser Wein würde ihm schmecken. Sie sah auf die Uhr. Viertel nach. Wahrscheinlich wäre Franz mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in den Wiener Wald gefahren, hatte im Samstagabendstau festgesteckt. Bis dann die Kinder verköstigt waren, hatte es sicher etwas gedauert.

Sie sog die Abendluft ein und sah zu den Kronen der drei Eichen auf, die am Rand der Wiese standen. Der Himmel färbte sich dunkelblau im Zenit, aber dem Horizont zu war noch die Farbe des Tageshimmels zu sehen. Sie liebte diese Jahreszeit, in der man abends lange draußen sitzen konnte, den Tag langsam vergehen und die Nacht kommen sehen konnte. Das frisch gemähte Gras verströmte seinen Geruch, und schwach aber wahrnehmbar drang der faulige Beitrag herüber, den der Komposthaufen des Nachbarn leistete. Es war ein Hauch von gesunder Verwesung, die umso intensiver einsetzte, je schneller alles um sie herum wuchs. Das Gras schoss in der Wärme des späten Augusttags, nach dem längst vergessenen Regen der letzten Woche schnell auf, und genauso rasch verweste das Grünzeug auf dem Kompost.

Sie schmeckte dem langsam sich entfaltenden Wein nach und glaubte nun, einen Stich zu erkennen, einen leichten Einschlag von fauligen Pfirsichen.

Halb Neun. Wahrscheinlich war es nicht einfach für ihre Arbeitskollegen, den Weg zu ihrem Grundstück zu finden.

Neun Uhr. Ihre Gäste hatten sich verspätet. Sabine zündete die Kohle an und blies in die Glut. Ein leichter Schwindel ergriff sie, wurde umso stärker, je länger sie hinein blies. Sie schwitzte immer noch.

Der Wein war nun bei der richtigen Temperatur, fünfzehn Grad dachte sie, so ungefähr. Aber die Flasche war schon halb leer. Sie holte eine weitere Flasche und stellte sie zum Anwärmen auf den Tisch. Viertel nach Neun. Was hatte ihre Gäste aufgehalten? Langsam brach die Dämmerung an. Ein leichter grauer Belag hatte den Himmel an den Rändern erfasst. Vielleicht würde es morgen regnen. Der Wein war wunderbar, nicht zu schlagen. Nur war die Flasche schon fast leer.

Ein wenig missmutig blickte Clementine in das trübe Wasser des Pools. Einem plötzlichen Entschluss folgend, zog sie die Bluse aus. Sie sah sich um. Es dämmerte, und die Thujenhecke verbarg das Grundstück vor jedem Spaziergänger. Sie entkleidete sich bis auf die Unterwäsche und trat zum Wasser. Es war hellbraun, bald würde es ganz schwarz sein, ein wenig unheimlich und doch lockend. Schon immer hatte sie nachts am liebsten gebadet. Schwarzes Wasser zog sie an. Sabine setzte sich an den Rand des Pools, ließ die Beine hineinbaumeln.

Die Abendluft hatte den Garten verändert. Geheimnisvoll wie das Schwimmbecken mit seinem dunklen Wasser war nun die Reihe von Bäumen und Büschen geworden, die Umrisse waren gerade noch sichtbar im spärlichen Mondlicht.

Sabine ließ sich in das dunkel schweigende Wasser gleiten. Die Wände waren rauh, aber das kühle Wasser war angenehm. Sie machte einen Schwimmzug und hielt ihr heißes Gesicht ins Wasser. Dann tauchte sie hinab, bis ihre Hände den Schlamm am Boden fühlten. Sie wühlte darin, wirbelte den Schlick auf. Es war eine Lust, in dem weichen Grund zu graben. Sie fühlte den warmen Stoff um sich aufbrodeln, sich ausbreiten im Pool. Als sie wieder nach oben kam, war ihr Haar von kühlem Schlamm bedeckt. Sabine zog sich am Beckenrand hoch und verließ das Becken.

Das Wasser hatte eine eigentümliche Wirkung auf sie, sie fühlte sich erfrischt. Ihr Körper atmete die kühler werdende Abendluft.

Sie packte den Grill und kippte die glühende Kohlenmenge in die Blechtonne. Sie ging zum Tisch, und schlug die links und rechts herab hängenden Enden der Tischdecke zusammen. Das Bündel schmiss sie in die Glut in der Tonne. Befriedigt setzte sie sich auf die Bank. Das Plastik der Gabeln und Messer verbrannte in der Hitze des Feuers. Sabine beobachtete, wie sich eine schwarze Plastikwolke über der Tonne bildete.

Sie legte sich zum Trocknen auf die Bank und spürte, wie sich in der warmen Abendluft langsam eine dünne Kruste aus Schlamm auf ihrer Haut bildete. Sie blickte zum Schattenriss der Eichenkronen auf und fühlte sich frei und sauber.

(Februar - April 2000)

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