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Ernest Hemingway:
Das kurze glückliche Leben des Francis Macomber

- Inhaltsangabe und Interpretation -

Hemingway erzählt nicht nur eine geniale Pointengeschichte aus dem Herzen Afrikas. Typisch Hemingway ist aber auch die Thematik: Ein Schlappschwanz wird zum Mann - aber die Frau erschießt ihn.

Inhaltsangabe

Francis Macomber, ein reicher Amerikaner, und seine Frau Margaret sind mit Robert Wilson, einem gemieteten weißen Jäger, auf Safari in Afrika. Er will seine "Big Five" schießen, die fünf größten jagbaren Tiere Afrikas. Es ist eine Prestigeangelegenheit.

Bei einer Löwenjagd bekommt Francis Angst und läuft weg, während Wilson den Löwen schießt. Seine Frau sieht es mit an. Als sie wieder im Lager sind, wird das peinliche Ereignis totgeschwiegen. Wilson tut so, als wäre der Löwenabschuss ein Verdienst Macombers, aber Margaret schämt sich für ihren Mann und läuft weinend ins Zelt.

Macomber redet mit Wilson offen über sein Versagen: "Ich hab Reißaus genommen wie ein Hase". Er bittet Wilson, nichts weiterzuerzählen. Wilson ist beleidigt und versucht, mit Macomber "glatt zu brechen". Aber Macomber entschuldigt sich, was ihn in den Augen Wilsons noch verächtlicher macht. 

Für den nächsten Morgen ist eine Büffeljagd geplant. Francis aber kann nicht schlafen. Er hat immer noch die Angst vor dem Löwen im Bauch. Schon öfter war er für seine Frau "erledigt", das weiß er, aber sie hatte ihn nicht verlassen, weil sie schon zu alt war, um einen ebenso reichen Mann zu bekommen. Die Grundlage ihrer Ehe ist klar: "Margaret war zu schön, als dass Macomber sich von ihr hätte scheiden lassen, und Macomber hatte zuviel Geld, als dass Margaret ihn je verlassen würde."

Nachdem er kurze Zeit geschlafen hat, hört Francis seine Frau ins Zelt kommen. Auf die Frage, was sie draußen gemacht habe, erzählt sie ihm eine offene Lüge: "Ich war gerade mal Luft schöpfen." Ihm ist klar, dass sie mit Wilson geschlafen hat: "Was für eine Hure du bist." - "Na und du bist ein Feigling."

Beim Frühstück ist die Atmosphäre zwischen den beiden Konkurrenten Wilson und Macomber vergiftet. Aber bei der folgenden Büffeljagd verhält sich Francis ganz anders als am Vortag, ist plötzlich ganz wild darauf, sich in Gefahr zu begeben und erlegt einen Büffel. Danach sagt er zu Wilson: "Wissen Sie, ich glaube nicht, dass ich je wieder vor etwas Angst haben werde. Etwas ging in mir vor, nachdem wir den Büffel zuerst sahen und hinter ihm herliefen. Wie ein Damm, der bricht." Den beiden anderen, Margaret und Wilson, ist klar, dass er "erwachsen" geworden ist. Aber sie reagieren ganz verschieden: Wilson ist gerührt, Margaret hat Angst, Angst davor, dass er sie nun verlassen wird.

Einer von den Büffeln, auf die die Männer geschossen haben, ist nur verletzt und hat sich in ein Gebüsch geflüchtet. Die beiden Männer gehen zusammen hin, um ihn zu erlegen. Als der Büffel herausstürzt, hält Francis stand, bleibt wo er ist, schießt und spürt, als der Büffel gerade vor ihm ist, etwas in seinem Kopf explodieren.

Seine Frau hat vom Auto aus geschossen und ihren Mann anstatt des Büffels getroffen. Francis ist tot. Der Jäger glaubt die Absicht der Frau erkannt zu haben: Sie wollte verhindern, dass er sie verließ, wollte es wie einen Unfall aussehen lassen. "Er hätte Sie auch verlassen." - "Seien Sie still." - "Natürlich war es ein Unfall. Das weiß ich." Wilson konfrontiert sie mit dem Mordvorwurf, verspricht aber, sie zu decken. Erst als sie ihn anbettelt, still zu sein, schweigt er.

Interpretation

Initiation

"Das kurze glückliche Leben des Francis Macomber" beschreibt einen Wendepunkt im Leben des Titelhelden: Der Amerikaner wandelt sich durch ein Jagderlebnis vom Feigling zum tapferen Mann. Diese Wendung ist eine Art Initiation, ein Erwachsenwerden. Der Titel deutet darauf hin, dass die kurze Zeit zwischen der Initiation und dem Tod Macombers die einzige Zeit ist, in der er wirklich lebt.

Die Geschichte bestätigt damit zunächst das gängige Klischee von Hemingway-Stories: Sie handelt von einer Safari in Afrika, von starken Männern, wilden Tieren und bösen Frauen. Es geht um Tapferkeit, die ein Mann im Kampf auf Leben und Tod mit wilden Tieren beweist. Diese Art von Tapferkeit ist für die beiden männlichen Hauptpersonen und wohl auch für Hemingway eine Schlüsseltugend: Wer Angst vor Löwen hat, kann sich auch im Leben gegen egoistische Frauen nicht durchsetzen.

Margaret

Die Wandlung ihres Mannes flößt Magaret Angst ein. Denn wenn er sein Hahnrei-Dasein beenden würde, indem er sie verlässt, würde sie auf dem "Markt" keinen gleichwertigen Ersatz finden. Nur weil er vor dem Wendepunkt kein "richtiger Mann" war, kann sie ihn kontrollieren und ausnützen. Von nun an, das ist beiden klar, ist er der Stärkere sein.

Mord oder fahrlässige Tötung?

Eine Schlüsselfrage ist, ob Margaret ihren Mann absichtlich erschießt. Sie hat ein Motiv, aber in der Geschichte wird nicht explizit gesagt, dass sie ihn ermordet: "Mrs. Macomber im Auto hatte mit der 6.5 Mannlicher auf den Büffel geschossen, als er gerade Macomber zu durchbohren schien, und hatte ihren Mann ungefähr fünf Zentimeter und ein bisschen seitlich über der Schädelbasis getroffen." Wenn man diesen Satz genau liest, schießt Margaret "auf den Büffel", nicht auf Macomber. Außerdem "schien" es (für Margaret?) so, als würde der Büffel Macomber töten - also kein Grund, auf ihn zu schießen. Hemingway lässt die Frage letztlich offen, wenn auch vieles auf Mord hindeutet.

Eisberg-Prinzip

Wie immer man die Tapferkeitsromantik Hemingways heute auch beurteilt - die Geschichte ist gut erzählt. Das betrifft vor allem die überraschende Wende am Ende, die einer Pointe nahekommt. Ein entscheidender Moment im Leben zweier Menschen wird gezeigt. Auf den ersten Blick ist die Story eine fesselnde Handlungsgeschichte, aber das eigentliche Geschehen läuft in der Psyche der Menschen ab. Hemingway folgt dabei seinem "Eisberg-Prinzip", wonach in einer Kurzgeschichte nur ein Achtel des Geschehens sichtbar sein sollte, während sieben Achtel zunächst unsichtbar bleiben. Diese Hauptmasse des eigentlichen Geschehens kann sich der Leser aus sparsam gelieferten Details erschließen. Oberflächlich betrachtet geht es bei Hemingway häufig um einen Mann, der sich in einer Grenzsituation besonders mutig oder besonders feig verhält. Der Kern der Geschichten liegt darin, wie die Hauptperson mit der Tatsache umgeht, dass jeder Mensch sterben muss. So auch in der vorliegenden Geschichte: Glücklich wird Francis erst in dem Moment, wo er dem Tod ins Auge blicken kann.

Francis

Der Feigling Francis hat sich auf eine gefährliche Safari begeben. Bryant Mangum erklärte in einem interessanten Artikel über die Kurzgeschichten Hemingways, warum er dies tut: "Weil er sich von bedrückenden Kräften befreien will, die von seiner Frau ausgeübt werden." Macomber fürchtet, für immer an eine Frau gebunden zu sein, ein Zustand, der ihn seine Entfaltung als Mann und als Individuum verhindert. Letztlich, so Mangum, ist es "die Todesangst, die Macomber aufgrund der Gegenwart des mutigen Wilson und seiner Führung überwindet."

Erzähltechnik

Hemingway erzählt von außen, aus der Sicht eines allwissenden Erzählers, und gibt abwechselnd die Gedanken von Macomber und Wilson wieder. Zum Teil wird auch die Technik des Stream of consciousness verwendet: "Angst weg wie durch Operation. Etwas anderes wuchs an ihrer Stelle. Das Wesentlichste, was ein Mann hatte. Machte ihn zum Mann. Frauen kannten es auch. Keine Scheißangst." Der Autor mischt also verschiedene Erzähltechniken. All dies sind Elemente, die sich im strengen Sinn nicht mit der Fornm der Kurzgeschichte vereinbaren lassen. Short Stories werden normalerweise personal oder aus der Sicht eines Ich-Erzählers geschrieben.

Hemingway lässt die Geschichte nach der peinlichen Begebenheit mit dem Löwen beginnen, die dann als Rückblende nachgereicht wird. Das ermöglicht einen spannenden Einleitungssatz: "Es war jetzt Essenszeit, und sie saßen alle unter dem doppelten grünen Sonnendach des Speisezeltes und taten, als sei nichts passiert." Dieser Satz lässt darauf schließen, dass gerade etwas Schreckliches geschehen ist. Und es führt zu einer überraschenden Zwischenpointe: "Francis Macomber war sehr groß, sehr gut gewachsen (...), bewährte sich auf dem Sportplatz, hielt eine Reihe Großwild- und Angelrekorde und hatte sich eben in aller Öffentlichkeit als Feigling erwiesen."

Ernest Hemingway

Hemingway wurde 1899 in Illinois geboren, war im Ersten Weltkrieg als Freiwilliger in Italien und berichtete als Korrespondent aus dem Spanischen Bürgerkrieg. Um die Themen Stierkampf, Großwildsafari, Krieg kreisen seine Romane und Erzählungen. 1961 beging er Selbstmord.

Er gehört wohl zu den besten und - gerade in Deutschland - einflussreichsten Kurzgeschichtenautoren überhaupt. Seine 49 besten Geschichten gibt es in einem Band billig bei Rowohlt.

Bibliographisches

Letzte Änderung: Dezember 2002

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