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Saki (H. H. Munro): Die offene Tür

- Inhaltsangabe und Interpretation -

Geniale Pointengeschichte über eine gute Geschichtenerzählerin.

Inhaltsangabe

Framton Nuttel ist aufs Land gefahren, um seine strapazierten Nerven zu kurieren. Nun klappert er alte Bekannte seiner Schwester ab und überreicht Empfehlungsschreiben.

Mrs. Sappleton ist nicht da, als Framton ankommt; stattdessen unterhält ihn ihre junge Nichte. Sie erzählt ihm, warum die Türe auch an einem Oktobertag noch offen steht: Vor genau drei Jahren seien der Mann ihrer Tante und ihre beiden Brüder mit einem Spaniel durch diese Türe auf Schnepfenjagd gegangen. Sie wären im Moor versunken und nie wiedergekehrt. Ihre Tante würde immer noch glauben, dass sie eines Tages zurückkehren würden, und deshalb bleibe die Türe Abend für Abend geöffnet, bis es dunkel wird.

Framton ist erleichtert, als die Tante kommt. Aber auch sie redet von den Jägern und sagt, sie müssten jeden Moment zurückkommen. Für Framtons angegriffene Nerven ist es schrecklich.

Da kommen die Angekündigten tatsächlich. Framton ergreift das Grauen, und er verschwindet, so schnell er kann. Ein seltsamer Mensch, sagt Mrs. Sappleton zu ihrem Mann. Rennt weg, als hätte er ein Gespenst gesehen. Das Mädchen sagt, es wäre wegen des Spaniels. Mr. Nuttel hätte von seiner Angst vor Hunden erzählt, er habe am Ganges eines Tages von Hunden auf einen Friedhof gejagt, wo er die ganze Nacht in einem frisch ausgehobenen Grab hätte ausharren müssen. Der Erzähler: Die junge Dame hatte das ungewöhnliche Talent, aus einer kurzen Bemerkung einen ganzen Roman zu machen.

Interpretation

Im Mittelpunkt der Geschichte steht ein Mädchen, das sich einen Spaß daraus macht, einen nervlich angegriffenen jungen Mann zu veralbern. Sie erzählt ihm eine faustdick erlogene Schauergeschichte. Das Kalkül des Erzählers: Der Leser wird auf eine schaurige Begegnung mit Untoten oder ähnlichem vorbereitet. 

Die Pointe ist die zweite Erzählung des Mädchens: Sie erzählt, was ihr Mr. Nuttel angeblich erzählt hätte. Da der Leser aber eigentlich "dabei war", also weiß, was gesprochen wurde, entpuppt sich das Mädchen als begnadete Lügnerin bzw. Erzählerin. Zu Beginn steht Mr. Nuttel im Zentrum, dessen angegriffenes Nervenkostüm mehrfach erwähnt wird - in seinen Erinnerungen und in dem, was er sagt. Nach klassischem Muster bereitet Saki hier seine Pointe vor.

Eine recht kurze Geschichte von etwa drei Druckseiten, in der kaum ein Satz zuviel steht. Formal eine - sehr geglückte - Pointengeschichte. Inhaltlich ist die Geschichte en wenig oberflächlich, es ist eine sehr gute Unterhaltungsgeschichte ohne viel "Hintergedanken".

Saki

Saki ist das Pseudonym von Hector Hugh Munro (1870-1916). Der englische Schriftsteller wurde bekannt durch seine surreal-bissigen, von schwarzem Humor durchsetzten Kurzgeschichten. Im 1. Weltkrieg Freiwilliger, fiel er 1916 in Frankreich, nachdem er einen Soldaten wegen unerlaubten Zigarettenanzündens im Dunkeln laut ermahnt und dadurch die Aufmerksamkeit eines Schützen auf sich gezogen hatte.

Bibliographisches

Letzte Änderung: Januar 2003

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