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William Kotzwinkle: Fana

- Inhaltsangabe und Interpretation -

Eine Geschichte im Stil von "Tausendundeiner Nacht" - ohne Moral, aber lustig.

Inhaltsangabe

Der Kameltreiber Al-nujum schließt sich, nachdem er sich eine Zeit lang allein herumgetrieben hat, der Karawane von Zahir an, dem Al-nujum einmal das Leben gerettet hat. Er erzählt dem Händler von einer schönen Tänzerin, die ihm am Ufer eines Teichs erschienen ist. Doch es war nur eine Fata Morgana. Zahir antwortet, das Leben sei voll von solchen schwindenden Freuden. Doch er habe eine Sklavin namens Fana, die die schönste Tänzerin sei, die es gebe. Er lässt einige Musikanten und Fana holen. Es ist das Mädchen, das Al-nujum erschienen ist. Sie führt den beiden Männern einen sehr erotischen Bauchtanz vor.

Zahir, dessen "alte Zeltstange" sich seit einiger Zeit nicht mehr aufrichten will, ist plötzlich von diesem Leiden geheilt. Der alte Händler freut sich auf eine Nacht mit Fana, aber Al-nujum zieht sein Schwert. Sie schlagen sich um Fana. Al-nujum tötet Zahir und die Musikanten und flieht mit Fana.

Sie übernachten im Garten des Teufels, wo der Wind Säulen aus Sandstein und Kreide aufgetürmt hat. In diesen traumverzerrten Häusern schläft Fana mit Al-nujum. Danach sagt sie ihm, es gebe einen weiteren Schleier, ehe man Zutritt zu Allah findet: Sultan Mahid-din erhebe Anspruch auf sie - ihm hat Zahir das Mädchen versprochen. Sie reiten in die Stadt des Sultans, und Al-nujum erwürgt ihn im Schlaf. Sie entkommen. Um den letzte Knoten zu lösen berührt Fana seine Augenbraue, und da sieht Al-nujum das All mit seinen funkelnden Sternen, und der Himmel verwandelt sich in das Zelt Zahirs.

Er und Zahir liegen ausgestreckt nebeneinander und Fana tanzt ihnen vor. Zahir erzählt Al-nujum, er habe soeben eine seltsame Vision gehabt, die Vision, Al-nujum hätte ihn getötet. Al-nujum solle Fana nehmen und sie ein wenig zähmen, später werde er dazukommen. Auch die Musikanten haben die Vision gehabt. Einer meint, sie rauchten zu viel Kif. Al-nujum besteigt sein Kamel und reitet davo. Der alte Zahir aber kommt mit der Karawane in die Stadt des Sultans und will dem Sultan sein Geld zurückgeben. Dach der Sultan ist inzwischen gestorben, einen weißen Vogel auf der Brust, der nur ein einziges Wort sagte: Fana. Als Zahir erfreut zurück in sein Lager kommt, ist Fana verschwunden. Sie ist mit einem der Musikanten gegangen.

Interpretation

Die Geschichte ist eine amüsante Parodie auf Erzählungen im Stil von "Tausendundeine Nacht". Die Männer in Zahirs Zelt haben eine Vision unter dem Einfluss von Kif. Darin erscheint ihnen Fana als Zauberin, die Al-nujum den Zutritt zu Allah öffnen kann. Als die Männer aus ihrem Traum erwachen, erkennen sie, dass alle dieselbe Vision hatten und glauben, es habe an zu viel Kif gelegen. "Fana" ist also eine typische Traum-Geschichte: Man merkt nicht sofort, dass das Erzählte in Wirklichkeit ein Traum ist. Erst am Schluss wird es klar, und man erinnert sich, dass es Hinweise darauf gegeben hat - hier die traumartigen Felstürme, die Passage "Zahir sah, als wäre es ein Traum, wie sein Freund Al-nujum sein Schwert zog" und so weiter.

Die Geschichte parodiert am Anfang das blumige Geschwätz der Orientalen in bestimmten Romanen: "Welcher Teil des göttlichen Plans, gelobet sei seine Raffinesse, hat sich dir offenbart, seit wir uns das letzte Mal begegnet sind?" So spricht Hadschi Halef Omar in Karl Mays Orientromanen, und Kara Ben Nemsi amüsiert sich darüber. Bei Kotzwinkle amüsieren sich die Orientalen selbst über ihre Sprechweise und kürzen ihre blumigen Tiraden selbst ab: "Tatsächlich können wir nur in Ehrfurcht an ihren Ufern, und so weiter."

Ein komischer Effekt kommt außerdem durch die erotischen Passagen zustande: die "alte Zeltstange" Zahirs, "jene übernatürliche Schwellung, die El-Hammache, die Kamelpeitsche, genannt wird. Er benutzte sie, wie es die Tradition verlangte." Und durch die Wirkung von Kif (Marihuana), die als Ursache der mystisch-religiösen Visionen von der Vereinigung mit Allah hingestellt wird. Als die Keimzelle der Geschichte kann wohl die Ansicht gelten, die Märchen aus Tausendundeiner Nacht wären unter dem Einfluss von Kif entstanden.

"Fana" ist ein Beispiel für eine Story, die amüsiert, unterhält und fasziniert, obwohl sie keine "Moral" hat, obwohl es nichts gibt, was der Leser daraus lernen könnte. 

William Kotzwinkle

Kotzwinkle wurde 1943 im US-Staat Pennsylvania geboren. Der Autor von "E.T." und "Fan Man" schreibt auch als Kurzgeschichtenautor Parodien.

Bibliographisches

Letzte Änderung: November 2002

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