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James Thurber: Walter Mittys Geheimleben

- Inhaltsangabe und Interpretation -

Tapocketa - pocketa - pocketa: Tagtraum und Wirklichkeit vermischen sich.

Inhaltsangabe

Der schon recht alte Walter Mitty ist mit seiner Frau im Auto unterwegs durch die Stadt. In einem Tagtraum ist er ein verwegener Flugkapitän, befiehlt "Volle Kraft". Er hört das Stampfen des Motors: Tapocketa - pocketa - pocketa. Aber die Realität holt ihn ein. "Du fährst wieder mal zu schnell", mahnt ihn seine Frau.

Er solle sich Überschuhe kaufen, seine Handschuhe anziehen, sich endlich mal vom Arzt untersuchen lassen. "Du bist schließlich kein Jüngling mehr." Dann verschwindet die Wirklichkeit hinter seinem nächsten Tagtraum: Er ist der berühmte Chirurg Dr. Mitty, der eine gefährliche Operation durchführt. "Halt, halt! Sehen Sie nicht den Buick?" Auf dem Parkkplatz hätte er beinahe ein anderes Auto gerammt. Der Parkwächter hilft ihm beim Einparken. Das erinnert ihn an ein Erlebnis: Er konnte die Schneeketten nicht abnehmen. Ein grinsender Mechaniker erledigte die Sache spielend. Er nimmt sich vor, das nächste Mal den Arm in der Schlinge zu tragen, als Vorwand dafür, dass er die Ketten nicht abkriegen konnte.

Was sollte er noch einkaufen? Mitty überlegt fieberhaft. Ein Zeitungsjunge ruft eine Schlagzeile über einen Prozess aus. Das regt ihn zu einem weiteren Tagtraum an. Als Angeklagter in einem Mordprozess gibt er an, er als Meisterschütze wäre imstande gewesen, das Opfer mit jeder beliebigen Waffe aus großer Distanz zu töten. Eine hübsche Frau fällt ihm daraufhin in die Arme, und als ein Wächter sie auseinanderreißen will, gibt er ihm einen Kinnhaken. "Verfluchter Hund..." Es fällt ihm wieder ein: Hundekuchen soll er besorgen. 

Nach den Einkäufen kehrt er ins Hotel zurück und blättert in einer Zeitschrift. Er findet darin einen Artikel über den deutschen Luftkrieg. Nun ist Mitty ein todesmutiger Bomberpilot. Seine Frau holt ihn in die Wirklichkeit zurück.

"Ich war in Gedanken", sagt er. "Manchmal denke ich nämlich, so seltsam dir das vorkommen mag." Sie hält ihn für krank, sagt, sie müsse zu Hause sofort seine Temperatur messen. Auf dem Weg zum Auto muss Mitty daraußen im Schneeregen auf seine Frau warten, die noch etwas in einem Geschäft besorgen will. Mitty zündet sich eine Zigarette an und steht im nächsten Augenblick vor einem Exekutionskommando, verzichtet heldenmütig auf die Augenbinde - "Walter Mitty, der Niebesiegte, unergründlich bis zuletzt."/

Interpretation

Thurbers Story ist eine Alltagsgeschichte aus dem Leben eines alten Mannes, der mit seiner Frau zum Einkaufen fährt. Geschickt verflicht der Autor die wirklichen Ereignisse mit Mittys Phantasien. Schon der Beginn ist eine solche Phantasie, deren spannende Handlung den Leser in die Geschichte hineinreißt. Erst später erkennt der Leser, dass es sich um einen Tagtraum handelt. Erzählt ist die Story personal, aus der Sicht von Walter Mitty.

Alles in der Wirklichkeit erinnert Mitty daran, dass er alt wird. So übersieht er Autos, vergisst Besorgungen und murmelt auf offener Straße unwillkürlich vor sich hin. Vor allem erinnert ihn seine Frau daran, dass er nicht mer der Jüngste ist. Er flüchtet sich in ein "Geheimleben", in Phantasien, in denen er jung, heldenmütig und berühmt ist. Gegenstände und die Worte seiner Frau inspirieren ihn zu seinen Tagträumen.

Tapocketa - pocketa - pocketa

Den Tagträmen ist gemeinsam, dass ein seltsames Geräusch ("Tapocketa - pocketa - pocketa") zu hören ist. Vielleicht ist es das Geräusch von Mittys altem Herzen. Denn Mitty ist offenbar nicht ganz gesund, weswegen ihn seine Frau ermahnt, sich untersuchen zu lassen.

Zum Schluss sieht er in seiner Phantasie dem Tod gelassen ins Auge. Vielleicht ahnt er, dass er auch in der Wirklichkeit dem Tod schon nahe steht. Vielleicht sind seine Phantasien Ausdruck einsetzenden Fiebers, und holt sich beim Warten im Schneeregen den Tod?

Man liest die Geschichte mit einem Schmunzeln, wird an eigene Tagträume erinnert. Der Leser kann sich mit dem mittelmäßigen Walter Mitty identifizieren.

James Thurber

Thurber (1894-1961) war nicht nur Schriftsteller, sondern auch Karikaturist. Mit Walter Mitty gelang ihm seine bekannteste Figur. Daneben schrieb er die Fabelsammlung "75 Fabeln für Zeitgenossen" (1940), die ihn auch in Deutschland populär machte.

Bibliographisches

Letzte Änderung: März 2003

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