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Max Fischer: Schwarz und Weiß

Die Schwärze hatte Besitz ergriffen von den Menschen. Schwarz die Kleidung, schwarz das Haar! Und wuchs einem braunes oder blondes, er färbte es schwarz. Viele auch legten Tusche auf ihre Augen. Oder schwarzglänzendes Fett auf die Lippen!

Aber wie der Schatten nichts ist ohne das Licht und doch dessen Feind, so geschah, dass manch einen und manch eine der Geist der Auflehnung überkam. Diese trugen das Haar weiß gebleicht. Und bestäubten ihre Wangen mit weißer Kreide. Denn das Weiß kämpfte gegen die Schwärze, widersetzte sich. Noch!

Und so weißten die unwissenden Menschen das Innere ihrer Häuser. Und füllten sie an mit schwarzen Kisten und Kasten und Gerätschaften. Aus deren vielen Geschrei hervordrang und schwarzes Gedröhn. Oder auch Klänge unirdischer Helle!

Die Menschen liebten ihre geschwärzten Geräte. Und führten welche mit sich, wohin sie auch gingen. Und sprachen zu ihnen von Zeit zu Zeit, wenn der Apparat solches bedurfte und anzeigte mit weinerlichem Quäken. Und die Schwärze sprach aus dem schwarzen Ding und erfüllte der Menschen Seele.

Noch aber war die Sehnsucht nicht ganz erloschen in den Herzen. Und so fuhren zuzeiten Tausende hinaus in schwarzglänzenden Wagen und ergingen sich auf den Fluren, unter den Bäumen. Doch auch hier war unsichtbar die Schwärze. Und so mehrten sich die schwarz benadelten Bäume und die Grünkraft der hellen Blätter schwand. Und auch das grüne Gras des Bodens wich schwarzer Erde; langsam, langsam!

Und zurück in den Städten der schwarzspiegelnden Türme erfüllte die Helle des Himmels die Seelen noch für kurze Zeit. Bis sie sich wieder verlor in den Schluchten der Straßen! Und war nicht auch die Bläue des Himmels schwärzer geworden? Und führten nicht die weißen Wolken dort oben weiter ihren ungleichen Kampf mit den weißen Strichen, den vielen, sich mehrend von Tag zu Tag?

Mai 2001

 
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