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Ernest Hemingway: Soldaten zuhaus

- Inhaltsangabe und Interpretation -

Eine frühe Kurzgeschichte Hemingways über einen Weltkriegssoldaten, der sich wieder an den Alltag gewöhnen muss. Das Burn-out-Syndrom ist heute aktueller denn je.

Inhaltsangabe

Harold Krebs kommt 1919 aus dem Ersten Weltkrieg nach Oklahoma zurück. Er ist einer der letzten Heimkehrer. Die Kleinstadt hatte die ersten Heimkehrer noch als Helden gefeiert, aber nun hat man das Kapitel abgeschlossen und mag Kriegsgeschichten nicht mehr hören. Krebs aber möchte über seine schrecklichen Erlebnisse sprechen. Aber selbst wenn er übertreibt, aufschneidet und lügt, interessieren seine Geschichten niemanden mehr. Krebs zieht sich zurück.

Die jungen Mädchen interessieren Krebs, aber er hat keine Lust zu flirten. Er scheut die Mühe, die Konsequenzen, die Komplikationen. Nachdem Krebs bereits einen Monat zuhause ist, zieht ihn seine Mutter ins Gespräch. Er soll sich einen Beruf suchen, ein nützliches Gemeindemitglied werden. Seine Eltern haben Angst, Krebs hätte "jeden Ehrgeiz verloren". Krebs reagiert unwillig und unwirsch. Er sagt seiner Mutter, dass er sie nicht mehr lieb habe, entschuldigt sich erst, als sie zu weinen beginnt. Schließlich nimmt er sich vor, ein "guter Junge" zu sein und eine Arbeit zu suchen.

Interpretation

Hemingway zeichnet in seiner Geschichte ein Charakterportrait eines Kriegsheimkehrers. Dieses Thema und der lakonische Stil sind typisch für die "lost generation". Der Schreibstil ist spartanisch: Kurze Sätze, einfache Wörter (sagte, hatte, war) dominieren. All das erinnert auch an die deutsche "Kahlschlagliteratur" nach dem Zweiten Weltkrieg.

Der Titel legt dem Leser eine Fortsetzung nahe: "Soldaten zuhaus sind zu nichts nutze." Das trifft wohl das Gefühl des Protagonisten. Krebs versteht sich als Soldat, und solange sich das nicht ändert, wird er sich überflüssig vorkommen.

Die Hauptperson ist ein ausgebrannter Mensch, und darin weist die Geschichte über den Zeithintergrund hinaus. Das Burn-Out-Syndrom kann entstehen, wenn ein Mensch für seine Anstrengungen nicht durch Anerkennung belohnt wird. Es führt zum Verlust des persönlichen Ehrgeizes, von persönlichen Zielen.

All das ist bei Krebs der Fall. Das zeigt Hemingway besonders durch die Wiederholung des Lieblingssatzes von Krebs: "Es lohnte nicht". Außerdem hat Krebs die Fähigkeit zum Kontakt zu anderen Menschen verloren. Das zeigt sich einerseits in seiner Haltung gegenüber dem anderen Geschlecht und andererseits durch seine verletzende Haltung seiner Mutter gegenüber. Dass er schließlich sagt, er habe sie lieb, empfindet er als Lüge. Nur durch die Lüge, so scheint es ihm, kann er Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen. Schließlich hat Krebs im Krieg auch seine Religiosität eingebüßt. Methodistisch erzogen, kann er nun nicht mehr beten.

Die Geschichte beginnt nicht wie die meisten Kurzgeschichten mitten im Geschehen, sondern mit einer Rüblende im Plusquamperfekt: "Krebs war von einem Methodistencollege in Kansas in den Krieg gegangen." Hemingway fängt eher umständlich, mit einer zusammenfassenden Situationsbeschreibung an. Darin ähnelt diese frühe Geschichte Hemingways noch der Novelle oder der Erzählung. Spätere Geschichten, wie "Das kurze glückliche Leben des Francis Macomber" wird er ganz anders beginnen: "Es war jetzt Essenszeit, und sie saßen..." Dennoch erzeugt schon der erste Satz Interesse. Er deutet schon den verstörenden Bruch in der Biographie des Protagonisten an. Zwei Fotos stellt Hemingway an den Anfang: Eines zeigt ihn im Kreis seiner Schulkameraden, eines in Uniform, die zu groß für ihn scheint. Krebs ist dem Krieg von seiner Entwicklung her nicht gewachsen.

Personale Perspektive

Die Geschichte ist personal aus der Sicht von Krebs geschildert. Versuchungen, in die auktoriale Erzählhaltung zu wechseln, erliegt Hemingway nicht. So sind die Gedanken der Eltern wichtig für das Verständnis der Hauptperson. Doch die Gedanken der Eltern werden nicht geschildert, sondern als Dialog gebracht.

Wenig Handlung

"Soldaten zuhaus" ist eine slice-of-life-Geschichte, in der nicht viel passiert. Es geht Hemingway um das Ausgebranntsein der Hauptperson, um seine Situation nach der Heimkehr. Das Ende ist hoffungsvoll: Krebs will aus seinen Depressionen ausbrechen. Das passt nicht so recht zur trostlosen Gesamtstimmung der Story. Krebs war als braver Junge in den Krieg gegangen. Er war dem Krieg nicht gewachsen (was man, so die Überzeugung Hemingways, als "echter Mann" sein muss). Und auch nach dem Krieg wird er nicht erwachsen, er folgt den konventionellen Vorstellungen der Eltern. Wenn er sich auch "elend" fühlt und "ein bisschen angeekelt", setzt Krebs sein konventionelles Leben fort, als wäre nichts geschehen.

Aus Autorensicht

Anders als Macomber, der bei der Großwildjagd plötzlich erwachsen wird, bleibt Krebs ein "guter Junge". Das ist bedauerlich. Zur Aussage der Geschichte hätte wohl ein offenes Ende besser gepasst, Hemingway hätte zum Beispiel nach diesen Sätzen aufhören können: "'Ich bin doch deine Mutter', sagte sie. 'Ich hielt dich ganz nah an meinem Herzen, als du ein winziges Baby warst.' Krebs fühlte sich elend und ein bisschen angeekelt."

Ernest Hemingway

Hemingway wurde 1899 in Illinois geboren, war im Ersten Weltkrieg als Freiwilliger in Italien und berichtete als Korrespondent aus dem Spanischen Bürgerkrieg. Um die Themen Stierkampf, Großwildsafari, Krieg kreisen seine Romane und Erzählungen. 1961 beging er Selbstmord.

Er gehört wohl zu den besten und - gerade in Deutschland - einflussreichsten Kurzgeschichtenautoren überhaupt. Seine 49 besten Geschichten gibt es in einem Band billig bei Rowohlt.

Bibliographisches

Letzte Änderung: Januar 2004

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