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Sol Stein: "Über das Schreiben"

Ein Exzerpt eines nützlichen Buches für den Kurzgeschichtenautor: Theorie wirkt manchmal belebend.
 
Teil 2: Kapitel 7 bis 14
Zum Anfang
 
Actors Studio (Kap. 7) Zum Anfang
Um eine Szene zu entwickeln, rät Stein zu folgender Methode, die er das "Actors Studio" nennt: Als Autor soll man sich vorstellen, dass die Protagonisten vom Autor ihre Anweisungen erhalten. Wichtig ist, dass die Anweisungen kurz und bündig sind, und dass sie sich widersprechen. Ein Beispiel:
Ein Junge hat vom Direktor seiner Schule einen Schulverweis bekommen. Der Protagonistin sagt man, sie sei die Mutter eines intelligenten und wohlerzogenen Jungen, gegen den der Direktor voreingenommen sei. Dem Antagonisten, dem Direktor, sagt man, der Junge sei renitent und störe andauernd den Unterricht. Dann lässt man die Charaktere gegeneinander antreten.
Die beiden Akteure erhalten verschiedene Drehbücher, verschiedene Weltbilder, und dadurch entstehen Spannungen. Die Regieanweisungen bleiben dem Leser verborgen.

 
Schmelztiegel (Kap. 8) Zum Anfang
Protagonist und Antagonist müssen gezwungen sein, den Konflikt auszutragen. Deswegen braucht man einen Schmelztiegel, in dem die beiden Akteure zusammengehalten werden, ohne dem Konflikt ausweichen zu können. Dieser Schmelztiegel muss kein stehen gebliebener Aufzug sein, in dem die Akteure gefangen sind. Er kann auch aus der Motivation der beiden Figuren resultieren.

 
Spannung (Kap. 9 bis 10) Zum Anfang
Spannung entsteht, wenn der Leser darauf wartet, dass etwas Bestimmtes geschieht, oder dass eine bedrohliche Situation ein gutes Ende nimmt. Es könnte um eine Gefahr für die Hauptperson gehen, die der Autor dann nicht zu schnell aus der Welt schaffen darf. Es sei denn, es wartet eine noch größere Gefahr auf ihn. Oder es geht um eine Konfrontation mit einem Antagonisten.

 
Dialog (Kap. 11) Zum Anfang
Ein wichtiges Mittel, um Spannung zu erzeugen, ist der Dialog. Gleichzeitig dient der Dialog zur Charakterisierung der Figuren. Man sollte nicht versuchen, alltägliches Gerede eins zu eins wiederzugeben. Tatsächlich geführte Dialoge sind langweilig.
Dialog ist eine Kunstform. Die Dialogsprache ist so schwer zu erlernen wie eine Fremdsprache.
Ein gelungener Dialog besteht nicht aus Fragen und Antworten auf diese Fragen, wie im täglichen Leben. "Wie geht es dir?" - "Danke, gut, und dir?" - "Auch gut." So erzeugt man Langeweile. Spannung entsteht im Gegenteil dadurch, dass Fragen nicht beantwortet werden, oder zumindest nicht direkt. Beispiel: "Wie geht es dir?" - "Wieso? Stimmt etwas nicht mit meinem Gesicht?"

Wichtig ist, wie ein Akteur redet. Mit sprachlichen Erkennungszeichen wie Sprachebene, Grammatikfehlern, ausschweifenden Formulierungen etc. charakterisiert sich eine Person selbst. Wenn einer sagt: "Schluss jetzt. Geh nach Hause." Ist er ein anderer Mensch, als wenn er sagt: "Ich würde es begrüßen, wenn du jetzt freundlicherweise gehen könntest."

 
Show, don't tell (Kap. 12) Zum Anfang
Der so oft gehörte Ratschlag "Zeigen, nicht erzählen" stammt von Henry James. Im Wesentlichen geht es um Situationen, bei denen sich die Stimme des Autors störend einmischt. Besonders in Gefahr ist der Autor, wenn er beschreibt, was geschehen ist, bevor die wirkliche Geschichte beginnt; wenn er beschreibt, wie ein Akteur aussieht, und wenn er beschreibt, was ein Akteur empfindet, sieht, hört oder schmeckt. Statt "Er war nervös" sollte man schreiben "Er trommelte mit den Fingern auf dem Tisch."

 
Perspektive (Kap. 13) Zum Anfang
Die Ich-Perspektive hat den Vorteil, dass das Erzählte besonders glaubwürdig wirkt. Es wird dabei der Anschein erweckt, eine Person würde aus seiner subjektiven Perspektive von ihrem Leben erzählen. Es entsteht eine Atmosphäre der Vertrautheit zwischen Erzähler und Leser. Das bedingt auch eine Beschränkung: Wenn ein Ich-Erzähler dem Leser ein Geheimnis vorenthält, so fühlt sich der Leser hintergangen. Der Erzähler wirkt dann unzuverlässig. Die Technik eines unzuverlässigen oder gar verrückten Erzählers ist jedoch auch eine Möglichkeit, eine Spannung zu schaffen zwischen dem wirklichen Geschehnis und der Sicht des Erzählers: Man versucht dahinter zu kommen, was in Wirklichkeit passiert ist.

Die personale Perspektive mit einem Er-Protagonisten kann der Ich-Geschichte sehr ähnlich sein - wenn die Ereignisse ausschließlich aus der Perspektive einer einzigen Person geschildert werden. Diese Erzählhaltung wirft Glaubwürdigkeitsprobleme auf. Denn hier kann es so scheinen, als erzähle einem der Autor etwas über eine dritte Person. Das könnte die Wahrheit sein, oder auch die Unwahrheit. Von der Möglichkeit, abwechselnd aus der Sicht verschiedener Personen zu erzählen, wird man in einer Kurzgeschichte - anders als im Roman - kaum Gebrauch machen.

Bei der auktorialen Perspektive mit allwissendem Erzähler gibt es kaum Einschränkungen. Der Erzähler kann in die Köpfe aller Personen hineingucken. Die Gefahr besteht darin, dass der Leser das Gefühl bekommt, das Ereignis nicht mitzuerleben, sondern nur erzählt zu bekommen. In diesem Fall nähert sich die Kurzgeschichte an einen Bericht an. Die meisten Kurzgeschichten sind nicht in auktorialer Form erzählt. "Das kurze glückliche Leben des Francis Macomber" von Hemingway ist eine bedeutende Ausnahme. Hier versetzt sich Hemingway sogar in die Gefühlswelt eines angeschossenen Löwens.

 
Rückblenden (Kapitel 14) Zum Anfang
Die Vorgeschichte sollte man als Kurzgeschichtenautor möglichst kurz halten. Man sollte mit der eigentlichen Geschichte beginnen. Auch eine Rückblende sollte man im Imperfekt erzählen, nicht im Plusquamperfekt. Das Auftauchen von Wörtern wie "hatte" und "war gewesen" sollte man als Warnung betrachten. Und man sollte in der Rückblende nicht erzählen sondern etwas zeigen.

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